It's all a dream, an illusion now.
It must come true some time soon somehow
All across the land dawns a brand new morn
This comes to pass when a song is born.
Wenn ein neues Lied das Licht der Welt erblickt
So oder zumindest so ähnlich muss ein Songwriter fühlen, wenn er die Arbeit an einem neuen Lied aufnimmt. Wenn du
kannst, hör dir übrigens mal Boney Ms "When a child is born" an.
Aber wann erblickt ein neues Lied das Licht der Welt?
Wenn die erste Idee in deinem Kopf entsteht? Wenn du anfängst, die
Spuren einzuspielen? Meiner Meinung nach ist es wie bei echten Babys -
ein neues Lied erblickt das Licht der Welt wenn all deine Arbeit getan
ist und du dich zurück lehnen und entspannen kannst. Für mich kam
dieser besondere Moment heute. Es begann also damit, dass…
vor langer, langer Zeit ein Keyboarder (du weißt schon
wer) fröhlich vor sich hin klimperte mit der einzigen Absicht, sich
eine schöne Zeit zu machen. Das war vor ungefähr drei Wochen als mir
diese mitreisende Basslinie einfiel. Eine ganz wichtige Sache für mich,
wenn ich an einem Lied arbeite, ist, mich mit dem Lied zu
identifizieren, mit ihm vertraut zu werden und es zu einem Teil von mir
zu machen. Das geschieht am Besten, wenn ich es spiele. Also
programmierte ich ein kleines Drumloop im MIDI-Sequenzer und jammte.
Dadurch kann ich mich an ein Lied besser erinnern, auch wenn ich gerade
nicht daran denke. Und glaub mir, dass hab ich auch nicht.
In den nächsten drei Wochen passierte nichts
besonderes. Ich betrachte es als eine glückliche Fügung, dass mich eine
Grippe von all diesen schrecklichen Verpflichtungen befreite, die mich
davon abhielten, mich auf die Musik zu konzentrieren. Sobald es mir
besser ging, fand ich mich in meinem Studio auf der Suche nach etwas zu
tun wieder. Nun, dachte ich, da sind vier Keyboards, ein Sampler, eine
Klaviatur und die Audio Workstation. Aber ich kann mit dem Computer nur
auf ein Gerät gleichzeitig zugreifen. Oh wie schade. Stelle man sich
doch mal die Möglichkeiten vor, die mir entgehen. Wie bitte?! Die
MIDI-Kabel sind zu kurz? Her mit dem Lötkolben!
Vorsichtig entfernte ich die Stecker von den
MIDI-Kabeln und legte die Adern frei. Typischer Weiße bestehen
MIDI-Kabel aus zwei fünf-poligen, männlichen DIN-Steckern, mit nur drei
belegten Pins. Meine Kabel hatte natürlich alle fünf Pins belegt. Ich
nehme an, der Hersteller handelte "better safe than sorry". Das
Messgerät sagte, dass die schwarzen und weißen Adern entfernt werden
können. Das tat ich auch. Stell dir mal meinen Gesichtsausdruck vor,
als ich bemerkte, dass zwei Kabel nicht aus roten, grünen und gelben
Adern sondern aus lilanen, grünen und gelben Adern bestanden. Sollte
dies das Ende sein? Nichts passiert, zum Glück. Der nächste Schritt
war, dass ich ein altes Telefonkabel nahm (für so was habe ich immer
ein alter Telefonkabel parat) und es entlang des Bodens verlegte, wie
später auch die MIDI-Leitungen liegen sollten. Zwick, zwick, zwick -
das war mal ein Telefonkabel, alle Stecker entfernt, Kabel entsprechend
beschnitten. Jetzt nur noch das Stecker angelötet.
Zwanzig Minuten später waren zwei neue MIDI-Leitungen
verlegt und für einen Probelauf bereit. Nicht so schnell… Was habe ich
eigentlich getan, um alles miteinander zu verbinden? Ich nahm die
MIDI-Ausgangs-Verbindung der Workstation und verband sie mit dem ersten
Keyboard. Dann verband ich die Eingangsbuchse des zweiten Keyboards mit
der Durchschleifung des ersten Keyboards und so weiter. Dieses Setup
wird auch Ring-Setup genannt, da alle Empfänger in einer Kette
geschaltet nur ihre Eingangsdaten an den nächsten durch schleifen. Aber
- ich will gar nicht, dass sie alle unisono spielen. Ich muss jedem
Keyboard seinen eigenen Bereich an MIDI-Kanälen zuweisen. Also nahm ich
Zettel und Stift um einen Spurplan auszutüfteln, wie ich 16 Kanäle auf
5 Clienten verteilen könnte. (Für die nicht-MIDI-belasteten da draußen:
Jede MIDI-Verbindung besteht aus 16 Kanälen. Wenn eher einen
Synthesizer statt einem Keyboard besitzt, kannst du ihm sagen, auf
welche Kanäle er reagieren soll und auf welche nicht. Davon abgesehen
kannst du MIDI-Spuren genau so wie AUDIO-Kanäle in deiner
AUDIO-Software betrachten.) Als nächstes musste ich diesen Plan den
Keyboards füttern.
Kurze Testsequenzen zeigten mir, dass alles wie geplant
funktionierte. Juhuu! Ich beschloss, dass gleich an einem neuen Lied
auszuprobieren. Neues Lied? Neues Lied? Ja, neues Lied, mitreisende
Basslinie, Drumpattern. Erinnerst du dich? Also brachte ich das
Drumpattern von vor drei Wochen wieder in den Sequenzer und vermehrte
es ein paar mal. Dann nahm ich die Basslinie auf und multiplizierte sie
ebenfalls. Der gute alte DX-7 hat einen nettes Bass-Patch, welches ich
dafür von Anfang an im Auge hatte. Bass auf Kanal 1. Dieser Bass-Sound
verlangt geradezu nach einem analogen Drumsound und der 808-Patch vom
S30 ist dafür wie geschaffen. Ok, Jungs - Schlagzeug auf Spur 10.
Versichere dich, dass du immer die richtigen Programm Changes und Zeug
eingibst so dass du nicht immer die Patches per Hand anwählen musst.
Wie ich dir sagte, ist es ganz besonders wichtig, sich mit einem Lied
zu identifizieren bevor man daran arbeitet. Als Ergebnis davon, war es
ein Kinderspiel, neue Ideen zu finden statt richtige Arbeit. Die
folgende Nacht verbrachte ich damit, bis 7 Uhr morgens auf zu nehmen.
Da ich den Tag zuvor sechs Stunden geschlafen hatte, bin ich nicht
verwundert, dass ich mich nicht müde fühlte. Glücklicher Weiße war es
Samstag und ich konnte nun zu Bett.
Um 11:00 Uhr wachte ich auf mit dem Wunsch, weiter an
dem Lied zu arbeiten. Zuerst musste ich aber meine Freundin anrufen und
etwas frühstücken. Zurück im Studio (im Raum nebenan ;-)) probierte ich
einige Sachen aus, die wirklich gut funktionierten. Manchmal ist es nur
eine Kleinigkeit wie ein Schlagzeugeinwurf oder eine Gegenmelodie,
welche einen Song um so viel besser machen. Es ging voran wie beim
Straßenbau. Takt um Takt wurde mein Lied immer länger. Das Gute an
MIDI-Sequenzern ist, dass man einfach einen Teil nehmen kann und ihn wo
anders vielleicht in einem anderen Track wieder einfügen kann. Damit
kann man sehr interessante Arrangements aufbauen. Es gilt aber zu
beachten, dass kein Mensch das selbe zweimal exakt gleich spielen kann,
es müssen also kleine Variationen her. Solche Variationen sind für mich
z.B. kleine melodische Änderungen, zeitliche Verschiebungen oder andere
Anschlagwerte. Auf einmal stand ich an einem Punkt, wo mein Lied zu
lang war. Irgendwo musste ich wieder etwas raus schneiden. Ich hörte
mir den Song an und fragte mich, wo er wohl langweilig werden würde.
Dies wurden später die zu entfernenden Stellen.
Am Abend kam Dominique (meine Freundin) voller
Neugierde über das neue Lied an, weshalb ich es ihr zeigte. Wie du
vielleicht selbst schon erfahren hast, werden Ehefrauen und andere
Arten von Freundinnen stell säuerlich, wenn man ihnen nicht seine ganze
Zeit widmet. Zeit für eine halbtägige Pause.
Sonntags hörte ich mir das Lied nochmal an und war sehr
zufrieden mit dem Arrangement. Alles, was jetzt noch zu tun blieb, war,
die MIDI-Spuren Schritt für Schritt in AUDIO-Spuren umzuwandeln. Die
Möglichkeit dabei 8 Spuren gleichzeitig aufnehmen zu können war anfangs
sehr zeitsparsam, half mir aber nicht mehr, als es darum ging, sieben
Spuren eines Keyboards umzuwandeln. In n-Track (meine bevorzugte
AUDIO-Software) bemerkte ich, dass alle Spuren eine recht geringe
Amplitude gemein hatten. Vielleicht ist dir in letzter Zeit auch Mac
aufgefallen, der rät, die Pegelverhältnisse (gain-stage) von Anfang an
entsprechend zu setzen und nicht jede Spur so hot wie möglich
aufzunehmen. Wie du vielleicht weißt, gehöre auch ich diesem Lager an.
Während der Wiedergabe addierten sich alle Spuren zu -1,7 db auf dem
VU-Meter auf und alles klang wie aus dem Sequenzer.
Falls es irgend eine Definition von "kreativem Chaos"
gibt, bin ich ein Anwärter dafür, weil ich plötzlich den Drang
verspürte, das Studio zu saugen. Fürs Protokoll: Um 15:00 Uhr habe ich
das Studio gesaugt. Dann war ich wieder hungrig. Aber zurück zum Lied.
So wie ich bisher vorging, war das Abmischen eine einfache Aufgabe. Da
ich mich entschied, alle Spuren "wet" aufzunehmen (mit allen Effekten,
die die Keyboards eventuell hinzugefügt haben, meistens Hall) musste
ich nur noch jedes Instrument in der Umgebung (Sound-Stage oder auch
Mixing-Pyramide) platzieren. Die Bass-Spur war ein wenig tricky zu
meistern, da sie immer zu verschwinden schien, sobald ein weiteres
Instrument auf drehte. Hüllkurven (in anderen Programmen Automation
genannt) halfen mir, dieses Problem zu umgehen. Effektmäßig ging ich -
mäßig - vor. Ein wenig geschmackvoller Hall hier und da (auf drei von
zwölf Spuren) und EQ war alles, was es brauchte.
Wiedereinmal, Zeit für eine Pause. Manchmal gibt es
eben nichts besseres als ein frisches Paar Ohren. Zurück zum Mix… nicht
schlecht, aber ein paar Kleinigkeiten würden ihn noch verbessern. Ja,
doch, jetzt klingts gut. Jedoch, (als ob es nicht immer ein "aber"
gäbe,) wo ist das glimmern - die hohen Frequenzen? Warum klingt da
alles so so dunkel und dumpf? Mit dieser Erkenntnis hörte ich mir unter
strenger Beobachtung der FFT-Graphen so einige Lieder an. Während das
Environment meines Lieder mir richtig erschien, merkte ich, dass die
Hochfrequenzanteil stark unter repräsentiert schien im Vergleich zu
anderem Material. Kann das mit Mastering repariert werden? Nach langer
Analyse und großem Kopfzerbrechen beschloss ich, es wenigstens zu
probieren. Die Werkzeuge um erstmal herauszufinden, woran es genau
mangelt waren meine Ohren und C_FFT (Freeware). Schlussendlich schienen
ein Hochpassfilter bei 80 Hz sowie ein ziemlich aggressiver
Kuhschwanzfilter am Besten zu klingen. Es ist klar, dass die Ohren in
so einem Fall immer die letzte Instanz sein sollen. Darum verstrich
wieder viel Zeit, indem ich Vorher und Nachher mit anderen Lieder
verglich. So kam ich zu dem Schluss, dass der Song nach dem heftigen
aber simplen Equalizereingriff (übertreibe nichts im Tonbereich)
wirklich um Nummern besser klang. Ich musste aber ebenfalls
akzeptieren, dass das Lied von Natur aus einen recht dunklen Charakter
hat, den man mit keinem Equalizer der Welt entfernen kann und soll.
Ganz zum Schluss hätte ich noch zu den Kompressoren und
Limitern greifen können, um die Lautstärke weiter nach oben zu
schrauben. Ich muss aber eingestehen, keinen Bedarf danach zu
verspüren, da der RMS-Pegel (Durchschnittspegel) hoch genug erscheint.
Das Einzige, was ich in diese Richtung noch unternahm, war, dass ich
den Mixdown in einem Wave-Editor öffnete und alle hohen Pegelspitzen
ohne nennenswerte Informationen auf wenige mSek heran zoomte und via
Hüllkurven ab rasierte. Davon abgesehen tat ich nichts außer mich zu
entspannen, denn ein neues Lied erblickte das Licht der Welt.
Euer, Dennis