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Die Physik hinter Oszillationen und Wellen - Teil 2

(Positionierung, Positionierung, Positionierung)

In der letzten Ausgabe unserer Physikserie schnupperten wir an einem sehr weitläufigen Thema - Schwingungen und Wellen. Obwohl es vielleicht als ziemlich heavy Stoff erschien, wollen wir heute probieren, unser neu erworbenes Wissen praktisch umzusetzen. Keine Bange, wenn du den letzten Artikel gar nicht gelesen hast oder nicht so ganz alles verstanden hast. Letztes mal ließen wir nämlich eine der wichtigsten Tatsachen überhaupt außer Acht, welche uns heute eine große Hilfe sein wird. Und ich verspreche dir, dass es einfacher zu verstehen wird (hoffe ich) wenn wir nun in den physikalischen Parameter der Akustik schlecht hin eintauchen - die Schallgeschwindigkeit.

Auf den ersten Blick mag es vielleicht ein wenig kompliziert klingen, wenn ich behaupte, dass die Schallgeschwindigkeit weder von der Amplitude (Lautstärke), Frequenz (Tonhöhe) oder Wellenlänge (Lambda) dafür aber vom Trägermedium und seiner Temperatur abhängt. Aber Hand aufs Herz, es ist ganz einfach: Letztes mal lernten wir, dass Schal sich durch die Luft bewegt, in dem die kleinen Moleküle der Luft in fortschreitender Art bewegt werden. Durch die Auf-und-Ab-Bewegung beeinflusst ein Molekül seine Nachbarmoleküle und überträgt seine Energie mit leichtem zeitlichem Versatz auf sie.

Man muss dazu wissen, dass die Moleküle eines Gases sich ständig und zufällig durch den Raum bewegen. Natürlich spüren oder gar hören wir diese Bewegungen nicht, weil das alles auf sehr, sehr kleinem Gebiet statt findet - viel kleiner als das Gebiet der durch Schall verursachten Bewegungen.

Je höher die Temperatur, desto schneller die Bewegungen und umgekehrt. Bei niedrigeren Temperaturen bewegen sich die Moleküle langsamer. Das kann sogar bis zu überhaupt gar keiner Bewegung getrieben werden, was einer Temperatur von 0°K (Kelvin) oder -273,15°C (Celsius) entspricht. Diese Information sagt uns auch, dass der Schall sich bei höheren Temperaturen schneller durch die Luft bewegen kann, einfach weil sich die Teilchen schneller bewegen lassen.

Natürlich gibt es auch eine Formel, die es uns einfach macht, die Schallgeschwindigkeit zu berechnen:

v = 331,4 + 0,6T [m/sec]

Übersetzen wir diese Nummern doch mal in Menschensprache:

Die Geschwindigkeit in Metern pro Sekunde ist nahezu gleich 331,4 plus 0,6 mal die Temperatur in Celsius.

Wir Deutschen und Europäer haben es leicht mit dieser Formel, da wir innerhalb der 90% der Erde leben, die mit dem metrischen System rechnet. Da dieser Artikel aber ursprünglich im amerikanischen Raum erschien, traten für die Amerikaner einige Probleme auf, die ich hier nicht aussparen möchte. Wer allerdings mit Fuß und Fahrenheit nicht viel am Hut hat, kann diese Absätze auch gerne überspringen. Bis nachher. :-)

Während in Europa Temperaturen und Distanzen in Grad Celsius und Metern gemessen werden, gelten andere Konventionen innerhalb der Vereinigten Staaten. (Das "MKS" - Meter, Kilogram, Sekunden sowie das "CGS" - Zentimeter, Gramm und Sekunden metrische System wird in der Tat von nahezu allen Wissenschaftlern und Ingenieuren in den Staaten eingesetzt. Das ältere "fps" oder Fuß per Sekunde System ist einfach gebräuchlicher. -Ed.)

Zunächst einmal müssen wir anhand der Temperatur in Fahrenheit die Celsiustemperatur berechnen. Du magst dich vielleicht über die Unterschiede wundern. Die Hauptdifferenz liegt in den Bezugstemperaturen.

Als Celsius sein erstes Quecksilberthermomter baute, nahm es zwei Temperaturen als Referenz: Den Gefrierpunkt des Wassers sowie seine Kondensationstemperatur. Die erste Temperatur bezeichnete er der Einfachheit halber mit "0°C" und die andere mit "100°C".

Fahrenheit hingegen nahm nicht Wasser als Standard, sondern die Körpertemperatur des Menschen. Ihm war es besonders wichtig, negative Zahlen zu vermeiden und so wählte er die tiefste Temperatur des harten Winters 1708/09 in seiner Heimatstadt Danzig als 0°F. Seine eigene Körpertemperatur würde später "100°F" werden.

Später fand man heraus, dass die durchschnittliche Körpertemperatur des Menschen eher bei ca. 98,6°F anstelle von 100°F liegt. Er bestimmte auch den Gefrierpunkt von Wasser, der auf seiner Skala bei ca. 32°F liegt und die Verdampfungstemperatur, welche bei ca. 212°F liegt. Diese Angaben sind ebenfalls nicht ganz korrekt und es ist unbekannt, ob er Fehlmessungen erlag oder die Zahlen einfach ein wenig geschönigt hat um eine Differenz von exakt 180°F zu erhalten.

Ok, ok , genug über Fahrenheit und Celsius gesprochen. Wie wandeln wir die Temperaturwerte nun um? Schau hier!

F = (C * 1,8) + 32 [°F]
C = (F - 32) / 1,8 [°C]

Das nächste Problem ist nun die Umwandlung zwischen Metern und Zoll.

1" = 2,54 cm
1 cm = 50/127"

Wenn CM die Entfernung in Zentimetern und IN die Entfernung in Zoll (von Inch, engl. Zoll) ist, gelten folgende Formeln:

CM = IN / 2,54 [cm]
IN = CM * 2,54 [in]

Oder

M = FT * 0.3048 [m]
FT = M / 0.3048 [ft]

(Randnotitz: Die Tatsächliche Umwandlung bedarf natürlich einiger Nachkommastellen mehr um so akkurat wie möglich zu sein. Die Benutzung dieser Konstanten führt zu einem Fehler bekannt als "Metrische Diskrepanz" in gewissen Kreisen. Aus diesem Grunde ist es besser gleich in MKS mit der metrischen Nomenklatur zu denken und zu arbeiten wenn man mit physikalischen Gleichungen wie diesen hantiert. -Ed. [Obwohl diese Konstanten für unsere Zwecke genau genug sind. -Dennis])

Nach all dem würde unsere Formel für die Schallgeschwindigkeit also so aussehen:

v = ((331,4 + (0,6((F-32) / 1,8))) / 0.3048) [in/sec]

Wahuu, das ist mir zu kompliziert! Können wir das nicht einfacher machen? Wir können. Also tun wir es auch. Tatsächlich besagt die Formel, dass Schall bei 0°C bzw. 32°F mit ca. 331,4 m/sec durch die Luft wandert. Meistens arbeiten wir ja mit Studiosound innerhalb der Umgebung eines komfortablen Raumes. Die Standardraumtemperatur liegt bei 25°C or 77°F. Also lautet die wichtigste Nummer, die wir uns nach all dem merken müssen, dass sich Schall in einem durchschnittlichen Raum mit ca.

346,4 m/sec = 1136,48 ft/sec

durch die Luft bewegt. Und diese Nummern sind so wichtig, dass es nie falsch sein, sich diese auf das Mischpult zu kleben.

Natürlich herrscht in jedem Raum eine andere Temperatur vor und es wird sogar noch schlimmer, wenn wir auf Live-Tour im Freien sind, aber an dieser Stelle legen wir die mathematische Genauigkeit mal bei Seite und probieren einfach ein wenig herum, bis uns unsere Ohren sagen, dass es richtig klingt. In einer solchen Situation würden das Mikrofon eben ein paar Zentimeter verschieben oder mit dem Delay ein wenig spielen und du wärst überrascht, wie nahe du den Berechnungen kommen würdest, indem du einfach nur diene Ohren einsetzt. Wenn du oft im Freien den Sound machen musst und fleißig genug bist, kannst du dir ja die Schallgeschwindigkeit in den von dir meist besuchten Gebieten zu verschiedenen Jahreszeiten ausrechnen.

Die Überschrift heißt "Platzierung, Platzierung, Platzierung" und ich habe dir versprochen, dass wir dieses mal nicht gänzlich auf der theoretischen Ebene belieben würden. Dieses Versprechen will ich natürlich einhalten. Also fangen wir doch einfach mal an und überlegen uns das Folgende: Viele professionelle Mischpulte und die meisten Digitalmixer bietet ein integriertes Zeit-Delay oder gar Kontrolle über die Phase eines Eingangssignales. Mit unserem neuen Wissen liegt der Grund auf der Hand:

Sagen wir, du nimmst ein Schlagzeug oder einen Gitarrenverstörker mit mehreren Mikros auf. Jedes Mikrofon hat eine andere Entfernung zur Schallquelle. Je weiter das Mikrofon entfernt ist, desto länger braucht der Schall, um es zu erreichen.

Die Auswirkung davon sind unschöne Verzögerungen, welche wiederum zu noch unschöneren Kammfiltereffekten und im schlimmsten Falle sogar zu Phasenproblemen führen. Natürlich wollen wir das vermeiden und machen von den eingebauten Delays Gebrauch.

Als erstes berechnen wir für jedes Mikrofon die Laufzeiten, also die Zeit, die der Schall braucht um das Mikrofon zu erreichen. Dann probieren wir mit Hilfe der Delays jedes Signal so zu verzögern, dass sie beim Abspielen alle exakt gleichzeitig ertönen. Wenn der Schall 1ms bis zum Mikrofon A und 7ms zum Mikrofon B benötigt, würden wir also das Signal von Mikrofon A um 6ms verzögern. Kannst du die Informationen aus diesem Artikel schon anwenden um die Entfernung der Mikrofone zur Schallquelle und zu einander zu berechnen?

Und hier kommt das Beispiel aus dem echten Leben: John will seinen Gitarrenverstärker mit drei Mikrofonen auf nehmen. Er ist Amerikaner, darum platziert er eines 6" hinter dem Verstärker, eines 12" davor und stellt ein Raummikrofon 8 Fuß weit in den Raum.

Da er eifrig den Audiominds.com Newsletter verfolgt hat, hat er sich ein kleines Zettelchen auf das Mischpult geklebt, auf dem steht: "346,4 m/sec = 1136,48 ft/sec". Sein Thermometer misst ungefähr 79°F, so dass ihm diese Nummern hinreichend erscheinen. Das Problem ist nur, dass ihm bis jetzt noch niemund erzählt hat, wie man die Zeit ausrechnet, die der Schall bis zum Mikrofon braucht.

Also regelmäßiger Autofahrer kann er dieses Problem mit ein wenig Überlegen allerdings lösen. Er denkt sich: "Bei 60 m/h bin ich nach einer Stunde 60 Meilen gefahren. Würde ich zwei Stunden fahren, währe ich natürlich die doppelte Strecke gefahren. Auf der anderen Seite brauche ich 1,5 Stunden um 150 Meilen mit 100 m/h zu fahren." (Probiert das nicht zu hause aus, Leute… --Ed.)

Daraus folgt eine ganz einfache Formel, welche, wenn du dich nicht an sie erinnern kannst, du dir auch auf das Mischpult kleben solltest:

d = v *t

distance = speed * time oder Entfernung = Geschwindigkeit * Zeit, wie wir auf Deutsch sagen würden.

Folgerichtig gilt auch:

t = d / v
Zeit = Entfernung / Geschwindigkeit.

Da die Zahl auf seiner Konsole in Fuß ist, rechnet er seine Zoll-Werte in Fuß um:

6" = 6" / 12 = 0,5 ft
12" = 1 ft

Jetzt ist er so gut wie fertig. Durch die t = d / v Formel weiß er, dass es 0.0004 Sek (0,4 mSek) braucht, bis das Heckmikrofon etwas empfängt. 0,0008 Sek (0,8 mSek) braucht es bis zum Frontmikrofon und 0.007 Sek (7 mSek) bis zum Raummikrofon. Das Front- und das Heckmikrofon sind zu nahe beisammen, um durch ein Delay korrigiert zu werden, da die zeitliche Distanz unter 1 mSek liegt. Dafür hinkt das Raummikrofon 7 mSek hinterher. Also verzögert er die nähreren Mikrofone um 6 mSek. Voilà.

Und wie klingt das nun? Ich weiß es nicht, aber ich glaube er machte die Verzögerung wieder rückgängig, weil es damit auch nicht besser klang. Ich bin mir aber sicher, dass er sie fürs Schlagzeug eingesetzt hat.

Ok, Leute. Dieser Artikel wurde in der Tat länger, als ich erwartete. Nächstes mal werden wir ein Set Lautsprecher für ein Open-Air Konzert aufbauen und uns zum Gitarrenstimmen rekrutieren. Leider werden wir auch herausfinden, dass unser Assistent das Gitarrenstimmgerät vergessen hat (Völlig unprofessionell!) und warum uns das gar nicht so stört, wenn überhaupt. Wenn der Auftritt verüber ist, schleppen wir uns müde nach hause und überlegen uns, wie wir die Räumlichkeiten akustisch schöner gestalten könnten. (Dieser Artikel steht in der Tat noch aus. Mal schauen, was Januar oder Februar 2005 so bringen.)

Also bis dann und vergiss nicht, in der Zwischenzeit ein wenig mit den Nummern zu jonglieren. Tue es oft genug und irgendwann wirst du ein tiefes Verständnis für all das bei dir entdecken.

Dein,
Dennis


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